Opfergaben für die Göttin des Kratersees

Eine Pilgerfahrt an den Gunung Rinjani auf Lombok, Indonesien

Von Volker Gottowik, Universität Heidelberg

Die junge Frau mit den hochstehenden Backenknochen hat ein Bündel Banknoten vor sich auf die Matte gelegt. Ihr gegenüber hockt ein ganz in weiß gekleideter Mann mit einem respektablen Notizbuch auf den verschränkten Beinen. Er nimmt das Geld, zählt es gewissenhaft und notiert den Betrag. Es ist eine erhebliche Summe, die am letzten Tag der Pilgerfahrt an den Gunung Rinjani der Göttin des Kratersees übergeben werden soll.

Ich spreche die junge Frau an. „Du kannst mich Dayu nennen“, bietet sie mit kaum verhülltem Stolz an. Der Name, eine Verkürzung von Ida Ayu, weist sie als Angehörige der obersten Kaste aus. Es gibt viele junge Frauen mit diesem Namen hier oben am Kratersee. Als Brahmaninnen haben sie alle das gleiche Problem: Ohne Statusverlust können sie nur einen Brahmanen heiraten, dagegen sind die Männer dieser Kaste für Frauen jedweder Abkunft die begehrtesten Heiratspartner. Die hindu-balinesische Gesellschaft hat dieses Problem traditionell dadurch zu lösen versucht, dass sie Cousin und Cousine miteinander vermählte. Doch diese Zeiten sind längst vorüber.

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Zauber im Bambushain: Eine Trekking-Tour zu den letzten Bergvölkern Nordthailands

Von DORISEA-Forscher Volker Gottowik, Universität Heidelberg

Nordthailand ist berühmt für seine Bergvölker. Als idealer Ausgangspunkt für Trekking-Touren zu den „Hill Tribes“ gilt Chiang Mai, die zweitgrößte Stadt des Landes. Es gibt ungezählte Reiseagenturen in dieser Stadt, die entsprechende Touren anbieten. Sie heißen zum Beispiel „Real Adventure Tours“ oder „Wild Adventure Tours“. Die klassische Tour umfasst, wie mir erklärt wird, vier Komponenten: „Mountain Trekking“, „Hill Tribe Village“, „Elephant Riding“ und „White Water Rafting“. Ich entschließe mich zu einer solchen Zwei-Tages-Tour und buche „Real Adventure”.

In einem Reiseführer über Thailand hatte ich gelesen, dass man als Weißer in den Dörfern dieser Bergvölker noch „gelegentlich für einen Geist gehalten“ wird.[1] Doch Reinhard Hohler, ein Reiseveranstalter, der seit dreißig Jahren in Thailand tätig ist, kann darüber nur müde lächeln. „Es gibt“, wie er mir gegenüber betont, „die abgelegenen und idyllischen Bergdörfer in Thailand nicht mehr. Die Leute haben Strom und Fernsehen, und bei einigen steht schon der Pick-Up vor der Tür.“

Ich begann mich umzuhören und stieß auf weitere Widersprüche: Auf einer Tagung thailändischer Tourismusbehörden in Chiang Mai war Anfang Dezember 2010 beschlossen worden, den „Adventure and Eco Tourism“ in der Region weiter auszubauen. Dagegen warnen thailändische Ethnologen schon jetzt vor den negativen Auswirkungen dieses „sanften Tourismus“. So ist zum Beispiel Jamaree Chiengthong von der Chiang Mai University davon überzeugt, dass der Schaden dieser Form des Tourismus für die Bergvölker größer sei als der Nutzen. „Die Touristen missachten grundlegende Regeln“, klagt sie an. „Sie betreten sakrale Bereiche, die der Verehrung der Ahnen vorbehalten sind. Und das freizügige Verhalten zwischen den Geschlechtern stößt die Einheimischen zusätzlich vor den Kopf.“ Solche Aussagen machten mich neugierig. Ich wollte herausfinden, wie sich die Begegnung zwischen Trekker und Tribe tatsächlich gestaltet. Und so entschied ich, selbst auf eine solche Trekking-Tour zu gehen.[2]

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Aus dem Feld: Gunung Kawi – Pilgertum, Religion und die Ökonomisierung des Sakralen in Indonesien

Das Mausoleum auf Gunung Kawi - © 2012 Michael Prager

DORISEA Forscher Dr. Michael Prager berichtet:

„Hier sind alle Religionen willkommen, ob Islam, Christ-entum, Buddhismus, Kejawen – alles geht hier“. Mit diesen an Paul Feyerabends Credo des “anything goes” erinnernden Worten wird der Besucher begrüßt, wenn er das Heiligtum von Gunung Kawi (Pesarean Gunung Kawi) betritt, einen der populärsten und meistfrequentierten Pilgerorte Indonesiens. Die ca. 40 km westlich der ostjavanischen Stadt Malang gelegene Pilgerstätte befindet sich an den Hängen des Kawi-Berges, knapp 300 m oberhalb des Dorfes Wonosari (Distrikt Wonosari, Landkreis Malang). Den inneren Kern des Heiligtums bilden zwei sich in unmittelbarer Nachbarschaft befindliche Grabmale, in denen zwei Figuren aus der jüngeren javanischen Geschichte ihre letzte Ruhestatt gefunden haben sollen, Eyang Jugo alias Kyai Zakaria II (? – 1871) and Raden Mas Iman Soedjono alias Eyang Sujo (? – 1876). In genealogischer Hinsicht werden die beiden Figuren mit dem Kraton von Solo bzw. Yogyakarta in Verbindung gebracht. Bei beiden soll es sich zudem um enge Vertraute des javanischen Prinzen Diponegoro (1785-1855) gehandelt haben, an dessen Seite sie im Java-Krieg (1825-1830) gegen die Vereinigte Niederländische Ostindien-Kompanie kämpften. Nachdem der Krieg verloren war, zogen sich die beiden nach Gunung Kawi zurück, wo sie fortan für die Verbreitung des Islam unter der Lokalbevölkerung Sorge trugen, bis sie schließlich – hoch betagt und hoch verehrt – im Jahre 1871 bzw. 1876 das Zeitliche segneten.

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Aus dem Feld: Angekommen

DORISEA Forscherin Eva Sevenig berichtet:

Baan Hadnaleng liegt direkt am Namtha Fluss. Es bietet – umgeben von Reisfeldern, Mais und Gummianbau – einen friedlichen Anblick, wenn man auf einem Berg steht und auf diese große Ansammlung von Hütten, teilweise mit Strohdächern, teilweise mit Wellblechdächern, schaut. Als ich ca. zwei Wochen vor Ende meiner Vorfeldforschungsphase endlich den Anruf bekam, dass meine Forschergenehmigung und das Visum nun bald fertig sein würden, war noch nicht klar, dass ich in diesem Dorf forschen würde. Es war mein Advisor, der mich angerufen hatte, also die Person die mir von der National University of Laos zur Seite gestellt wurde, um mir bei der Beantragung einer Forschergenehmigung und eines Visums zu helfen. Man nennt diese Person auch Counterpart oder – auf Laotisch – adjaan thi büksaa (ein Lehrer, der berät, unterstützt, hilft). Tatsächlich war dann sogar alles schnell gegangen: Binnen einer Woche, die ich Verträge-unterschreibend in der Uni und Stempel-abholend an der laotisch-thailändischen Grenze verbrachte, wurden die wichtigsten Dokumente fertiggestellt. Von einem Tag auf den anderen hielt ich plötzlich meine Papiere in der Hand.

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Aus dem Feld: Vorfeldforschung in Vientiane, Laos

DORISEA Forscherin Eva Sevenig berichtet:

Mein gegenwärtiger dreimonatiger Aufenthalt im Feld kann als ,Vorforschung‘ bezeichnet werden, denn meine primäre Aufgabe besteht derzeit ,lediglich‘ darin eine Forschergenehmigung zu erhalten. Das klingt einfach, aber diejenigen, die selbst einen ähnlichen oder den gleichen Prozess durchgemacht, oder davon gehört haben, wissen um den eigentlichen Schwierigkeitsgrad dieses Unterfangens. Ein Freund drückte es einmal so aus: „Ist man im Besitz der Genehmigung, ist die Forschung so gut wie erledigt“.

Die Aussicht von den PromenadenMeine Forschung befasst sich mit der „sozialen Organisation und den Traditionen (speziell Rituale und rituelle Dynamik) der Samtao“, so die Kurzbeschreibung meines Forschungsvorhabens. Die Samtao sind eine ,ethnische Minorität‘ oder ,lokale Gemeinschaft‘ (son pao oder pa:sa:sɔn thɔng thin, wie ich es gelernt habe), die in der Provinz Luang Namtha zu finden ist.

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