Opfergaben für die Göttin des Kratersees

Eine Pilgerfahrt an den Gunung Rinjani auf Lombok, Indonesien

Von Volker Gottowik, Universität Heidelberg

Die junge Frau mit den hochstehenden Backenknochen hat ein Bündel Banknoten vor sich auf die Matte gelegt. Ihr gegenüber hockt ein ganz in weiß gekleideter Mann mit einem respektablen Notizbuch auf den verschränkten Beinen. Er nimmt das Geld, zählt es gewissenhaft und notiert den Betrag. Es ist eine erhebliche Summe, die am letzten Tag der Pilgerfahrt an den Gunung Rinjani der Göttin des Kratersees übergeben werden soll.

Ich spreche die junge Frau an. „Du kannst mich Dayu nennen“, bietet sie mit kaum verhülltem Stolz an. Der Name, eine Verkürzung von Ida Ayu, weist sie als Angehörige der obersten Kaste aus. Es gibt viele junge Frauen mit diesem Namen hier oben am Kratersee. Als Brahmaninnen haben sie alle das gleiche Problem: Ohne Statusverlust können sie nur einen Brahmanen heiraten, dagegen sind die Männer dieser Kaste für Frauen jedweder Abkunft die begehrtesten Heiratspartner. Die hindu-balinesische Gesellschaft hat dieses Problem traditionell dadurch zu lösen versucht, dass sie Cousin und Cousine miteinander vermählte. Doch diese Zeiten sind längst vorüber.

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Aus dem Feld: Gunung Kawi – Pilgertum, Religion und die Ökonomisierung des Sakralen in Indonesien

Das Mausoleum auf Gunung Kawi - © 2012 Michael Prager

DORISEA Forscher Dr. Michael Prager berichtet:

„Hier sind alle Religionen willkommen, ob Islam, Christ-entum, Buddhismus, Kejawen – alles geht hier“. Mit diesen an Paul Feyerabends Credo des “anything goes” erinnernden Worten wird der Besucher begrüßt, wenn er das Heiligtum von Gunung Kawi (Pesarean Gunung Kawi) betritt, einen der populärsten und meistfrequentierten Pilgerorte Indonesiens. Die ca. 40 km westlich der ostjavanischen Stadt Malang gelegene Pilgerstätte befindet sich an den Hängen des Kawi-Berges, knapp 300 m oberhalb des Dorfes Wonosari (Distrikt Wonosari, Landkreis Malang). Den inneren Kern des Heiligtums bilden zwei sich in unmittelbarer Nachbarschaft befindliche Grabmale, in denen zwei Figuren aus der jüngeren javanischen Geschichte ihre letzte Ruhestatt gefunden haben sollen, Eyang Jugo alias Kyai Zakaria II (? – 1871) and Raden Mas Iman Soedjono alias Eyang Sujo (? – 1876). In genealogischer Hinsicht werden die beiden Figuren mit dem Kraton von Solo bzw. Yogyakarta in Verbindung gebracht. Bei beiden soll es sich zudem um enge Vertraute des javanischen Prinzen Diponegoro (1785-1855) gehandelt haben, an dessen Seite sie im Java-Krieg (1825-1830) gegen die Vereinigte Niederländische Ostindien-Kompanie kämpften. Nachdem der Krieg verloren war, zogen sich die beiden nach Gunung Kawi zurück, wo sie fortan für die Verbreitung des Islam unter der Lokalbevölkerung Sorge trugen, bis sie schließlich – hoch betagt und hoch verehrt – im Jahre 1871 bzw. 1876 das Zeitliche segneten.

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