Geister-Horror CHANTHALY und andere Neuigkeiten vom New Wave Cinema aus Laos

von Peter J. Bräunlein (Göttingen),                                                                                mit Dank an Guido Sprenger für den interessanten Hinweis

 

Laos ist selbst für Insider des südostasiatischen Kinos cineastische Terra incognita. Im Gegensatz etwa zur durchaus lebendigen Filmproduktion Vietnams oder der auch international beachteten Filmindustrie Thailands, ist der Laotische Film eine unbekannte Größe. Einzig das Bürgerkriegsdrama Buadaeng – Red Lotus (1988) findet Erwähnung in der spärlichen Literatur zur Laotischen Filmgeschichte. Die Regierung der Demokratischen Volksrepublik Laos zeigte sich bislang wenig filmenthusiastisch und stellte allenfalls für Propaganda-Filme Mittel bereit. Der Schöpfer von Red Lotus, der in der Tschechoslowakei ausgebildete Som Ock Southiphonh lebt vom Einkommen seiner Bäckerei in Vientiane und träumt dennoch unbeirrt von einem unabhängigen Laotischen Kino.

Auf eine weitere Episode aus der ereignisarmen Laotischen Kino-Geschichte muss an dieser Stelle hingewiesen werden. 2006 löste nämlich ein Film diplomatische Verwicklungen aus. Allerdings handelte es sich nicht um einen Laotischen Film, sondern um den in Thailand produzierten Fußballfilm, Mak Tae – Lucky Looser. Die Filmkomödie verfolgt die WM-Qualifikation Thailands und schildert die Niederlage des Laotischen Nationalteams. Laotische Politiker fanden das gar nicht witzig und ihre Interventionen erzwangen eine digitale Umarbeitung des Films. Jede Referenz auf die Laotische Nation, gleich ob Trikot, Hymne, Flagge oder Namensnennung musste entfernt werden. In der offiziellen Version ist es nunmehr eine imaginäre Nation namens Arvee, die in der Rolle des lucky looser auftritt.

Nun deuten Anzeichen auf ein zartes Erblühen der Laotischen Filmkultur. Im Februar 2013 fand bereits zum dritten Mal die Vientianale mit Uraufführungen und Kurzfilm-Workshops lokaler Filmkünstler statt, und seit 2010 lockt alljährlich ein ansehnliches Festival die Fans des südostasiatischen Kinos nach Luang Prabang.

Als Lao New Wave Cinema präsentiert sich eine Produktionsfirma und ein Label, das gleichzeitig für den Aufbruchwillen von Filmschaffenden dieses Land steht. Der Einfluss Thailands ist auch hier deutlich spürbar, und lässt sich, trotz staatlicher Missbilligung und anhaltender Zensurgesetze immer weniger kontrollieren.

2008 wurde der erste privat finanzierte Film in Laos gedreht, das Liebesdrama Sabaidee Luang Prabang – Good Morning Luang Prabang. Der Thai Fotograf Sorn, so die story, besucht die Sehenswürdigkeiten des Landes und verliebt sich leidenschaftlich in seine Laotische Tour-Guide Noi [www.independent.co.uk/news/world/asia/good-morning-luang-prabang-ndash-and-hello-to-laoss-film-industry-843557.html]. Diese junge (Film-)Liebe zwischen Thailand und Laos war immerhin so erfolgreich, dass 2010 ein prequel Sabaidee 2: From Pakse With Love folgte, im Übrigen eine Thailändisch-Laotische Koproduktion.

Mittlerweile ist auch der erste Laotischen (revenge) Thriller erschienen. 2012 veröffentlichte Anysay Keola, der in Bangkok Film studierte, AT THE HORIZON [atthehorizon-movie.com]. Die Hauptfigur Sin ist ein moralisch verdorbener junger Mann, der Laotischen Hop-Hop hört, mit seinem Auto die Gegend unsicher macht und verantwortungslos den Reichtums seiner Eltern verprasst. Durch ihn verliert Lud, ein armer und obendrein stummer Automechaniker vom Lande, das, was ihm das Wichtigste ist, seine sechsjährige Tochter. Lud verschafft sich auf seine Weise Gehör und Sin bekommt am Ende, was er verdient. Die Erstfassung des Films wurde zensiert, durfte aber nach Schnittauflagen (bzgl. Alkoholkonsum, Waffengebrauch und Filmfinale) schließlich doch gezeigt werden.

Mit CHANTHALY ist nun der erste Laotische Horrorfilm fertiggestellt, der zudem der erste Laotische Film einer Frau ist. Mattie Do, gelernte Maskenbildnerin und verheiratet mit einem US-amerikanischen Drehbuchautor, lebte lange Jahre in den Vereinigten Staaten und folgte ihrem Vater, als der beschlossen hatte nach Vientiane zurückzukehren.

Die Filmgeschichte trägt durchaus recht persönliche Züge, wie Mattie Do in einem Interview bekennt. Geschildert wird die Beziehung einer Tochter, Chanthaly, zu ihrem überfürsorglichen Vater. Die angeblich durch Selbstmord ums Leben gekommene Mutter erscheint ihrer schwer herzkranken Tochter und ist bemüht, ein Geheimnis aus der Vergangenheit zu klären.

Der in Szene gesetzte Geister-Horror, meint Mattie Do, hätte viel mit Laotischer Kultur zu tun und sei für das nicht-Laotisches Publikum womöglich gar nicht so erschreckend. Als eine erste Fassung von CHANTHALY auf dem Filmfestival in Luang Prabang gezeigt wurde, reagierte das heimische Publikum jedenfalls reichlich geschockt:

“[…] the audience was screaming and little kids were covering their eyes. So much of the film revolves around the ubiquitous spirit house and Lao superstition, and although the film gives a little bit of detail about that for an audience that might be unfamiliar with the ins and outs of Lao beliefs, there are a few things in the movie that are really terrifying to our Lao audience that might not even be unsettling for a foreign audience.”

Mattie Dos bewundertes Vorbild ist übrigens Darren Aronofsky. PI (1998), die Geschichte eines paranoiden Mathematik-Genies, das neo-realistische Melodram THE WRESTLER (2008) und der Psycho-Thriller BLACK SWAN (2010) sind ihre prägenden cineastischen Bildungserlebnisse.

Nach CHANTHALY, der in diesem März ins Laotische Kino kommen soll, plant Mattie Do weitere Filme aus dem Horror-Genre, darunter möglicherweise auch einen Vampir-Film. Die Zukunft des Laotischen Kinos sieht sie optimistisch:

“If you’re a Lao filmmaker and living outside of the country, come back and make a movie. There’s a lot of opportunity for talented filmmakers to work hard and really be part of something unique and exciting. So much is evolving and changing here in Laos, and I really can’t wait for more filmmakers to experience it for themselves. In the meantime, I hope I can keep trying to bring Laos to cinema screens abroad!”

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Das vollständige Interview mit Mattie Do ist nachzulesen auf dem Blog Little Laos on the Prairie.

Der Trailer zu CHANTHALY findet sich hier.

 

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