Institut für Ethnologie der Universität Göttingen
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Durch einschlägige Beobachtungen in Vietnam angeregt, zeigt der kursorische Vergleich mit anderen asiatischen Ländern (z.B. Taiwan, Thailand, Philippinen, Japan, Südkorea, Sri Lanka), dass Geisterdiskurse und rasante Modernisierungsvorgänge eine häufige Parallelerscheinung darstellen. Naturkatastrophen, Finanzkrisen und Kriegstrauma befördern Konjunkturen von Geistern, ihre rituelle Verehrung und Manipulation. Doch Geister- und Ahnenkulte lassen sich nicht allein auf ihre Funktion als Kompensation und Moderation von Modernitätskonflikten reduzieren. Totengeister treten auch in dem konfliktfreien Raum der Unterhaltungsmedien in Erscheinung. Ob in TV-Serien, im populären Kino oder in Comics – Geister sind hier, zwischen Taiwan und Thailand, allgegenwärtig. Nachgefragt werden Stoffe und Produkte der Kulturindustrie nicht nur von bildungsfernen Gruppen, sondern vor allem von einer aufwärts-mobilen Mittelklasse, den Trägern ökonomischen Wandels. Aus genannten Beobachtungen entwickelt sich das Forschungsvorhaben „Geister in der Moderne“.
Geister, so die Hypothese, eignen sich besonders gut um über „alternative“ oder „multiple modernities“ und grundsätzlich über den Ort von Religion in der Moderne nachzudenken, da nach hergebrachter modernisierungstheoretischer Lesart Geister gerade eben nicht zu Moderne und Modernisierung passen, sondern vielfach als Indizien von Irrationalität und Vor-Moderne gedeutet werden. Gleichzeitig waren und sind Modernisierungsschübe sowohl in der westlichen (ersten) Moderne (Stichwort: Spiritismus) wie in der asiatischen Moderne von Geister-Konjunkturen durchzogen. Totengeister, so eine weitere Hypothese, kommentieren die Zumutungen der Moderne und fungieren als Agenten von Moral.
Das Projekt ‚Geister in der Moderne’ soll Erkenntnisse zum Ort von Religion im Zeitalter der Globalisierung befördern und gleichzeitig zur Klärung dessen beitragen, was unter „säkularer Moderne“ zu verstehen sei. Der Zusammenhang von ökonomischer Moderne, Säkularismus und Revitalisierung von Trance- und Geister-Kulten wird dabei in den Vordergrund gerückt. Nachforschungen zur Konjunktur von Geisterkulturen werden in urbanen Zentren von Hanoi, Singapur und in Thailand angestellt und systematisch verglichen. Ergänzend dazu sind medienethnologische Untersuchungen zur Rezeption von Geisternarrativen im Massenkino in eben diesen Ländern.
Das Projekt ist vergleichend angelegt. Fallstudien zu Vietnam werden durch Untersuchungen in Thailand und Singapur ergänzt. Feldforschung und Medienanalyse, insbesondere Medienwirkungsforschung sind gleichermaßen zentral. Das Forschungsprojekt soll in engem Austausch (Workshops, Konferenzen) mit Fachkollegen aus Südostasien bearbeitet werden.