Das Netzwerk DORISEA

Das Kompetenznetz “Dynamiken von Religion in Südostasien” (DORISEA) ist ein durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderter Forschungsverbund, der am Institut für Ethnologie der Universität Göttingen koordiniert wird.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Göttingen, Hamburg, Münster, Heidelberg und Berlin (HU) untersuchen in mehreren Projekten den Zusammenhang von Religion und Moderne in Südostasien.

Das komplexe Neben- und Miteinander unterschiedlicher Kulturen und Religionen ist in Südostasien besonders ausgeprägt. Religionen entwickeln hier eine besondere Dynamik und gestalten Modernisierungsvorgänge ganz wesentlich. Zu beobachten ist nicht das Schwinden von Religion, sondern ihre Intensivierung. Die Forschungen des Kompetenznetzes konzentrieren sich auf drei Dimensionen religiöser Dynamiken: Praktiken des Religiösen, Politisierung von Religion und Kollisionen moralischer Ordnungen.

Südostasien gibt sich in seinen globalen und regionalen Einbindungen ein neues Profil, politisch durch das Erstarken des ASEAN-Staatenbundes und ökonomisch durch das Ziel im Zusammengang von ASEAN und China im kommenden Jahrzehnt die größte Freihandelszone der Welt zu schaffen. Doch die zu erwartenden Veränderungen betreffen nicht nur den Bereich der Wirtschaft. Auffällig ist die besondere religiöse Dynamik in vielen Ländern dieser Region. Dies ist kein Phänomen der jüngsten Vergangenheit, sondern ein durchgehendes Merkmal der südostasiatischen Moderne.

Das Kompetenznetz DORISEA rückt diesen Zusammenhang von ‚Religion’ und ‚Moderne’ in den Mittelpunkt, bezieht ihn auf die Region Südostasien. Dabei werden regionalwissenschaftliche Kompetenzen vor dem Hintergrund zweier spezifischer Momente mobilisiert, die Südostasien kennzeichnen: 1) Im globalen Vergleich findet sich in Südostasien eine einmalige Dichte und Komplexität im Neben- und Miteinander unterschiedlicher Kulturen und Religionen. Vielfältige ethnische Religionen interagieren mit Weltreligionen, von denen (mit Ausnahme des Judentums) alle in Südostasien vertreten sind. 2) In Südostasien bildet Religion keinen Gegenpol der Moderne, sondern steht in komplexer Wechselwirkung mit ihr.

In diesem Kontext vollziehen sich tiefgreifende Prozesse gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Wandels, die nicht nur Gestaltungsmöglichkeiten und Hoffnungen, sondern auch neue Zwänge und Befürchtungen zur Folge haben. Diese werden häufig in religiösen Praktiken und Semantiken artikuliert oder, im Extremfall, in religiös motivierter Gewalt ausagiert. Religionen politisieren sich und dies zeigt sich in Südostasien nicht nur im Bezug auf den Islam in Malaysia und Indonesien, sondern auch für das Christentum (z.B. Vietnam, Ost-Timor, Philippinen) und den Buddhismus (z.B. Vietnam, Thailand, Birma, Laos, Kambodscha).

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Die Wissenschaftler des Kompetenznetzes DORISEA aus den Bereichen Ethnologie, Soziologie, Geschichte, Religions- und Sprachwissenschaften widmen sich diesen Verknüpfungen in einzelnen Teilprojekten mit spezifischen Fragestellungen. Die Einzelprojekte sind zum Teil historisch, zum Teil gegenwartsbezogen angelegt und sind regional, methodisch und theoretisch aufeinander bezogen. Gemeinsam werden durch die Forschungen eine regionale Vielfalt (Indonesien, Malaysia, Vietnam, Laos, Thailand, Kambodscha, Singapur, Philippinen) und religiöse Vielfalt (Islam, Buddhismus, Christentum, Hinduismus, ethnische Religionen, Konfuzianismus) bearbeitet.

Über drei Dimensionen religiöser Dynamiken werden die spezifischen Ergebnisse in den größeren Zusammenhang eingeordnet:

 

1) Praktiken des Religiösen:

Die in diesem Bereich angesiedelten Teilprojekte richten ihr Augenmerk auf Religion als Kommunikationssystem. Als Deutungs-, Symbol-, und Handlungssysteme entfaltet sich Religion in sprachlichen, performativen und medialen Diskursen, deren Erforschung religiöse Praktiken (z.B. Ahnen- und Geisterkulte, multireligiöse Rituale etc.) offen legen. Praktiken des Religiösen sind nicht losgelöst von Praktiken der Moderne (z.B. Bürokratie, Gesundheitswesen, Bildung, Umgang mit Massenmedien etc.) und Imaginationen der Moderne (Entwicklung von Wertvorstellungen, z.B. über Gerechtigkeit, Gesundheit etc.). Die Teilprojekte arbeiten deshalb darauf hin, Relationen zwischen Praktiken des Religiösen und Praktiken und Imaginationen der Moderne aufzuzeigen.

PD Dr. Michael Dickhardt
Die gesellschaftliche Verortung des Religiösen und Spirituellen in Vietnam im Kontext der asiatischen Moderne

Prof. Dr. Annette Hornbacher
Adat oder Agama? Persistenz und Revitalisierung religiöser Lokaltraditionen in Indonesien

Dr. Volker Gottowik
Adat oder Agama? Multireligiöse Rituale in Zentralindonesien

Prof. Dr. Volker Grabowsky
Der laotische Sangha und die Moderne: ein buddhistisches Archiv aus Luang Prabang

Bounleuth Sengsoulin, MA
Der laotische Sangha und die Moderne: ein buddhistisches Archiv aus Luang Prabang

Khamvone Boulyaphonh, MA
Der laotische Sangha und die Moderne: ein buddhistisches Archiv aus Luang Prabang

 

2) Politisierung von Religion – religiöse Grundierung von Politik:

Unter diesem Aspekt soll in den einzelnen Teilprojekten das Verhältnis von Politik und Religion in der Moderne Südostasiens untersucht werden: Welche Formen nimmt der Zusammenhang von Politik, Religion und gesellschaftlicher Moral an? Wie wird Religion unter Abwesenheit einer Säkularisierungsnorm reflektiert? Welche soziostrukturellen Auswirkungen hat das?

Prof. Dr. Vincent Houben
Politisierung der Religion in der malaysischen Moderne

Olivia Killias, M.A.
Politisierung der Religion in der malaysischen Moderne

Prof. Dr. Boike Rehbein
Soziokulturelle Differenzierung, Sprachpolitik und Religion in Laos

Michael Kleinod, M.A.
Soziokulturelle Differenzierung, Sprachpolitik und Religion in Laos

Dr. Michael Prager
Politisierter Islam in Indonesien: Zwischen „Skripturalismus“ und „Neo-Sufismus“

 

3) Kollisionen moralischer Ordnungen:

Unter dieser thematischen Spezifizierung fokussieren die Teilprojekte historische und gegenwärtige Erscheinungsformen von Kollisionen moralischer Ordnungen und Loyalitäten. Mit der Ausbreitung der westlichen Moderne werden lokale Kosmologien und Wertgefüge und deren Deutungen von Mensch, Natur und Geschichte in Frage gestellt. Zur Disposition stehen Kategorien von „gut“ und „böse“, Maßstäbe für richtiges Handeln und gemeinschaftlichen Zusammenhalt, die Geschlechterordnung und das Verhältnis zu den Ahnen.

Prof. Dr. Thomas Engelbert
Nationalitätenpolitik und Missionierung im Hochland von Tây Nguyên

Prof. Dr. Guido Sprenger
Rituelle Dynamik im Hochland Südostasiens

Eva Sevenig, M.A.
Rituelle Dynamik im Hochland Südostasiens

PD Dr. Peter Bräunlein
Geister in der Moderne

Prof. Dr. Andrea Lauser
Ahnenverehrung und Pilgerschaft in Vietnam

 

Über die wissenschaftliche Erforschung hinaus, hat sich das Kompetenznetzwerk DORISEA zum Ziel gesetzt, den Austausch mit südostasiatischen Institutionen und Wissenschaftlern zu verstärken. Durch die enge Zusammenarbeit möchte sich DORISEA als Sprachrohr für Anliegen zu Südostasien positionieren. Alle Forschungsergebnisse und spannenden Fragen werden – auch über diese Homepage – an eine breite Öffentlichkeit getragen und diskutiert. Innerhalb der Universitäten werden Seminare, vor allem Sprachangebote, überregional anerkannt und vermittelt. Die Beschäftigung mit Südostasien wirft auch die Frage nach der Selbstpositionierung auf – „im Spiegel des Fremden das Eigene wahrnehmen“ stellt nicht zuletzt eine besondere Herausforderung für die Beschäftigung mit fremden Gesellschaften dar.

 

Für alle Fragen, die das Kompetenznetzwerk DORISEA betreffen, bitten wir Sie sich an folgende Adresse zu wenden:

BMBF-Kompetenznetzwerk "Dynamiken von Religion in Südostasien" (DORISEA)
Georg-August Universität Göttingen
Institut für Ethnologie
Berliner Str. 28
37073 Göttingen
Tel. +49 551 39 20153
www.dorisea.net

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